Klimaklage gegen Holcim: «Lasst uns nicht untergehen»

Weltweit wurden seit 2015 über 2000 Klimaklagen eingereicht. Die Klage von vier indonesischen Fischer:innen gegen den Schweizer Zementkonzern Holcim ist erst das zweite Verfahren aus dem globalen Süden gegen einen «Carbon Major». Weshalb haben sich vier Bewohner:innen der kleinen Insel Pari zu diesem Schritt entschlossen? Was bedeutet dies für sie? Und was bedeutet diese Klage für andere Menschen im globalen Süden?  

Asmania, Arif, Bobby und Edi leiden bereits heute unter den Folgen der globalen Erwärmung. Mehrmals jährlich werden Teile ihrer Insel und oft auch ihre Häuser überflutet. Und das dürfte sich in den kommenden Jahren durch den steigenden Meeresspiegel noch verstärken. Ihr Zuhause ist existenziell bedroht, und ihre Menschenrechte sind zunehmend eingeschränkt. Der Klimawandel entzieht ihnen ihre Lebensgrundlagen, gefährdet ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden, er zerstört ihre Gemüsegärten und versalzt ihre Frischwasserquellen. Zudem schwindet der Fischbestand rund um die Insel, die Korallenriffe bleichen aus, und wegen der Überschwemmungen fallen immer wieder die Einnahmen durch Tourist:innen aus.  

Die Folgen des Klimawandels treffen Asmania, Bobby, Arif und Edi hart. Dabei haben die vier indonesischen Fischer:innen und alle Menschen auf Pari kaum zum Klimawandel beigetragen. Die vier Kläger:innen sind sich bewusst, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind. Denn rund einer Milliarde Menschen, die in tiefliegenden Küstengebieten und auf flachen Inseln leben, ergeht es ähnlich: Ihr Zuhause droht bei anhaltend hohen CO2-Emissionen im nächsten Jahrhundert für immer in den Fluten zu versinken. Kläger Edi stellt dabei die zentrale Frage: «Wo sollen wir leben, wenn unsere Insel untergeht?»  

Hauptverursacher im Norden 

Mit ihrer Klage gegen Holcim bringen sie an die Öffentlichkeit: Klimabedingte Schäden und Verluste sind ein reelles und existenzielles Problem. Die Folgen des Klimawandels verursachen Menschenrechtsverletzungen, und die Zukunftsaussichten machen Angst. Asmania sagt dazu: «Ich möchte nicht darüber nachdenken, was meine Kinder tun werden, wenn die Überflutungen weiter zunehmen. Ich wünsche mir nur, dass sie weiter auf Pari, unserem Zuhause, leben können.»  

Die vier Kläger:innen wissen, dass die Hauptverursacher der Klimakrise vor allem im globalen Norden angesiedelt sind. Industrieländer, aber auch Unternehmen mit vergleichbar hohen CO2-Emissionen, haben einen messbaren Anteil an der globalen Erwärmung. Holcim allein hat 0.42% aller industriellen CO2-Emissionen seit 1750 zu verantworten. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die gesamte Schweiz im gleichen Zeitraum emittiert hat.  

Absolute Emissionsreduktionen gefordert

Die Kläger:innen wissen auch: Carbon Majors wie Holcim tragen eine massgebliche historische Verantwortung für ihre Schäden, Verluste und Zukunftssorgen. Und sie haben meist auch die finanziellen Ressourcen, um den nötigen Wandel voranzutreiben. Aus diesen Gründen hat 2015 auch der peruanische Andenbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya den deutschen Energiekonzern RWE verklagt, der durch seine konzernweiten übermässigen CO2-Emissionen zur drohenden Überflutung durch den schmelzenden Gletscher über seinem Haus beiträgt.  

Um die schlimmsten Konsequenzen der Klimakrise abzuwenden, braucht es schnelle Emissionsreduktionen. Deshalb verlangen die vier Indonesier:innen von Holcim die anteilsmässige Wiedergutmachung ihrer Schäden, absolute Emissionsreduktionen von 43% bis 2030 und 69% bis 2040 im Vergleich zu 2019 sowie einen Beitrag an die nötigen Flutschutzmassnahmen. Sie verlangen dies beim Kantonsgericht in Zug, wo Holcim seinen Hauptsitz hat, in ihrem eigenen Namen. Doch ihr Ruf nach Klimagerechtigkeit ist lauter. Es ist für sie die einzige und vielleicht letzte Möglichkeit, global gehört zu werden. Und dabei stehen sie für all jene Menschen ein, die bereits heute klimabedingte Schäden und Verluste erleiden und Zukunftssorgen auf Grund der Klimakrise haben: «Lasst uns nicht untergehen», so der Hilferuf von Asmania, Arif, Bobby und Edi.