Vier Indonesier:innen reichen Klimaklage ein: Holcim soll Verantwortung übernehmen

Asmania, Arif, Bobby und Edi, vier indonesische Fischer:innen, haben am 30. Januar 2023 Zivilklage gegen die HolcimGruppe beim Kantonsgericht Zug – dem Hauptsitz des Zementkonzerns eingereicht. Ihr Zuhause auf der indonesischen Insel Pari ist existenziell durch den Klimawandel und den damit einhergehenden Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Holcim trägt dafür durch seine hohen CO2 Emissionen einen massgeblichen Anteil der Verantwortung. Deshalb fordern die vier Kläger:innen von Holcim eine anteilsmässige Entschädigung ihrer klimabedingten Schäden und Verluste, einen Beitrag an Anpassungsmassnahmen sowie rasche Emissionsreduktionen.  

Es ist das erste Klimaverfahren in der Schweiz, welches von Personen aus dem globalen Süden gegen ein Unternehmen eingereicht wurde – und es ist weltweit erst die zweite Klage dieser Art. Die vier Indonesier:innen klagen wegen «Persönlichkeitsverletzung» (ZGB 28) aufgrund des vergangenen, anhaltenden und zukünftigen übermässigen CO2 Ausstosses durch Holcim, der zu Schäden (OR 41) auf der Insel geführt hat. In der Schlichtungsverhandlung Anfang Oktober 2022 war Holcim auf keine ihrer Forderungen eingegangen. Es wird nun die Aufgabe des Gerichts sein, das Recht auf die Realität der Klimakrise anzuwenden. 

Der Blick zurück zeigt: Holcim hat seit seiner Gründung über sieben Milliarden Tonnen CO2 verursacht, was 0.42 Prozent aller globalen industriellen CO2-Emissionen seit dem Jahr 1750 entspricht. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die gesamte Schweiz im gleichen Zeitraum emittiert hat. Bis heute stösst Holcim jährlich bis zu dreimal mehr CO2 aus als die gesamte Schweiz.  

Ungenügende Klimaziele

Der Blick nach vorne zeigt: Auch Holcims zukünftige Klimastrategie ist nicht mit dem Ziel vereinbar, die Erderwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen, wie eine von HEKS veröffentlichte Analyse aufzeigt: Die Klimaziele des Konzerns sind ungenügend und sie kommen zu spät. Denn Holcim setzt bis 2030 lediglich auf relative Emissionsreduktionen, d.h. auf die Reduktion des CO2-Ausstosses pro Tonne Zement, statt auf die Reduktion seiner absoluten CO2-Emissionen. Gemäss Weltklimarat (IPCC) braucht es für die Beschränkung der globalen Erwärmung auf 1.5 Grad weltweit eine durchschnittliche absolute Reduktion des CO2-Ausstosses in der Höhe von 43% bis 2030 und 69% bis 2040 im Vergleich zu 2019.  

Dies ist exakt die Emissionsreduktion, welche die indonesischen Kläger:innen von Holcim verlangen. Gemessen an Holcims historischer Verantwortung für den Klimawandel und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kommt dem Konzern eine überdurchschnittliche Verantwortung zu, seinen CO2 -Ausstoss rasch zu senken. Nur so kann Holcim seinen Beitrag zur Verhinderung von verheerenden zukünftigen Klimaschäden leisten.  

Umstrittene Methoden

Nicht nur die Höhe und die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion Holcims sind ungenügend, auch die Art und Weise, wie der Konzern diese erreichen will, steht in der Kritik. Ab 2030 will Holcim unter anderem auf Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 (CCUS) setzen, um bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Ob diese Technologien wissenschaftlich, technisch und wirtschaftlich in grossem Massstab anwendbar sein werden, ist allerdings umstritten.  Ausserdem zeigt die Analyse von Holcims Klimastrategie, dass erhebliche Mängel bei der Science Based Targets initiative (SBTi) bestehen, welche Holcims Klimaziele geprüft und validiert hat.  

Die SBTi ist eine Multi-Stakeholder-Initiative, die Unternehmen bei der Festlegung von Klimazielen unterstützt. Sie betont, dabei auf Methoden zu setzen, die mit den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft übereinstimmen. Diese Methoden bestätigen indessen lediglich den Status quo: Um das 1.5 Grad-Limit einzuhalten, darf global nur noch eine bestimmte Menge CO2 ausgestossen werden. Dieses CO2-Restbudget wird nun so verteilt, dass den grössten Emittenten wie Holcim, den so genannten «Carbon Majors», auch weiterhin viele Emissionen zustehen. Zusätzlich bestehen einige Gouvernanz-Probleme bei der Initiative. Die Kritik an der SBTi fällt letztlich auch auf die Integrität der Klimaziele von Holcim zurück. 

Kampf für Gerechtigkeit

Für Asmania, Arif, Bobby und Edi ist jedenfalls klar: Holcim hat eine überdurchschnittliche Verantwortung an der Klimaerwärmung, welche die Heimat der vier Indonesier:innen existenziell bedroht, obschon sie selbst nichts dazu beigetragen haben. Gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen sie mit ihrer Klage gegen Holcim. Dabei werden sie unterstützt von WALHI, dem grössten Umweltnetzwerk Indonesiens, HEKS sowie dem juristischen Netzwerk ECCHR.